Offene Email an die EKD Ratspräsidentin

Durch die gesamte Medienlandschaft Deutschlands ziehen sich gerade Berichte zu den Razzien gegen die Klimaaktivistengruppe „Aufstand der letzten Generation“. Als Demokrat gruselt mich, wie hier die Bayrische Polizei zum wiederholten Male großzügig mit Fakten und Recht umgeht. Nachdem sich die Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland sehr zustimmend zu diesen Razzien geäußert hat, war es für mich an der Zeit, dieser eine Nachricht zukommen zu lassen, und ich rufe alle, die das ähnlich sehen, dazu auf, es mir gleich zu tun. Hier der Volltext meiner Mail:



Sehr geehrte Frau Kurschus,

Ich entsetzt über Ihr Statement am Rande der westfälischen Landessynode zu den Razzien gegen die Gruppe „Aufstand der letzten Generation“.
Sie haben Recht, die Gruppe agiert (in Teilen) rechtswidrig. Wichtig ist dabei, zu betonen, dass bei den meisten Aktionen noch kein letztinstanzliches Urteil gefällt wurde. Dennoch sprechen Sie davon, als Kirche für das Recht eintreten zu müssen, und sagen, rechtswidrige Aktionen müssten Folgen haben. Ist es Ihre Aufgabe als Kirche – analog zur Bayrischen Polizei, die am gestrigen Morgen einfach die Behauptung in die Welt setzte, „Letzte Generation“ wäre bereits eine kriminelle Vereinigung – Urteile der Gerichte vorwegzunehmen?

Dass die einzelnen Aktionen Folgen haben müssen, steht außer Frage. Und wird im Moment von Gerichten in ganz Deutschland verhandelt. Dass Sie sich mit diesen Worten hinter eine Polizeimaßnahme stellen, die auf dem höchst umstrittenen §129 StGB „Kriminelle Vereinigung“ fußt, ist einer Demokratin nicht würdig. Und einer Verfechterin des Rechtsstaates auch nicht. Im Gegenteil. Diese Polizeimaßnahme, der Aussagen mehrerer Staatsanwaltschaften, mehrerer Gerichte, des Verfassungsschutzpräsidenten und vieler juristischen Stimmen in den Medien entgegenstehen, die einstimmig sagen, Letzte Generation erfülle nicht die Kriterien einer kriminellen Vereinigung, ist Wasser auf die Mühlen derer, die diese Gruppe als „Klima-RAF“ denunzieren.

Ist das das Ergebnis davon, wenn die EKD im Herbst deutlich sagt, die Politik solle mit „Aufstand der letzten Generation“ reden? Dass Sie dann, wenn es drauf ankommt, sich hinter eine Polizei stellen, die ihre Kompetenzen maßlos überschreitet? Die gewaltfreie Aktivisten mit vorgehaltener Waffe weckt, wie Carla Hinrichs berichtete, die an Gerichten vorbei behauptet, die Gruppe sei eine kriminelle Vereinigung?

Mit solchen Worten treten Sie nicht für „Rechtsfrieden“ ein, sondern stellen sich hinter eine Polizei in Bayern, deren Kompetenzüberschreitungen in Sachen Klimaaktivismus schon mehrfach Gerichte beschäftigten, beispielsweise bei den Präventivhaften im Dezember, die sich als nicht rechtmäßig herausstellten.

Ist das die Kirche, für die Sie stehen wollen? Eine Kirche, die der Staatsgewalt nach dem Munde redet, wenn diese über die Strenge schlägt?

ich möchte in einer Kirche leben, die sich an die Seite der Schwachen stellt. Die den Finger in die Wunde legt, wenn Unrecht geschieht, und als Teil der Zivilgesellschaft wachsam ist. Wachsam besonders dort, wo der Rechtsstaat unterminiert wird. Wo mit fadenscheinigen Argumenten in die elementarsten Grundrechte wie die Unverletzlichkeit der Wohnung eingegriffen wird. Ich wünsche mir eine Kirche, die sich mit leisen, unaufgeregt gewaltfreien aber dennoch unüberhörbarem Protest solidarisiert, statt mit einer eskalierenden Staatsmacht.
Sich hier hinter die Staatsgewalt zu stellen, um im gleichen Atemzug zu behaupten, die Dringlichkeit des Klimaschutzes (als Christ würde ich mir hier eher das Wort Klimagerechtigkeit wünschen) zu teilen, ist heuchlerisch in Anbetracht eines Staates, der daran auf ganzer Linie versagt.

„Wenn sie rechtswidrig agieren, dann muss das auch Folgen haben“, ist eine Antwort auf diese potentiell rechtswidrigen, in jedem Fall aber überzogenen Razzien, für die ich mich als Christ und Demkorat schäme. Ich möchte mich nicht für eine Kirche rechtfertigen müssen, die die Augen verschließt vor einer schleichenden Erosion des Rechtsstaates, wie sie verschiedene Forschungsgruppen seit einigen Jahren auch in Deutschland beobachten und dokumentieren.

Ich bin stolz einer Gemeinde anzugehören, die sich deutlich und klar in der Sache positioniert bezogen auf Klimaaktivismus und seine Verunglimpfung in der Gesellschaft. Unser Positionspapier möchte ich Ihnen ans Herz legen, der inhaltlichen Argumentation brauche ich hier nichts hinzuzufügen. www.esg-leipzig.de/klimakatastrophe

Hochachtungsvoll
 Jakob Thoböll

Sommernachlese: Dänische Südsee, Samsø und Aarhus

Allem Corona-Ärger zum Trotz war es im letzten Sommer möglich, zumindest mit einer Gruppe auf See zu gehen. Teamkollegen des Jugendbildungsprojektes „Klimasail“ (www.klar-zur-wende.org) waren gemeinsam zwei Wochen auf dem Holländischen Segelschiff „Jantje“ in der dänischen Südsee unterwegs. Während ich sonst mit einem Teamkollegen und seemännischer Besatzung gemeinsam eine seglerisch und in Klima und Gerechtigkeit nicht unbedingt vorgebildete Gruppe betreue, haben wir hier nun mit 15 motivierten, seglerisch und inhaltlich erfahrenen Leuten Methoden überarbeitet, Inhalte diskutiert. Für alle an Bord eine große Bereicherung. Mit angehenden Politikwissenschaftlern, Biologen und Geographen gemeinsam zu reisen, ist für die Diskussionen und Denkanstöße gleich viel spannender, da aus jedem Themenbereich Experten dabei sind. Doch jetzt möchte ich euch mitnehmen an Bord.

Stellungnahme der Sächsischen ESGn zu den anstehenden Wahlen

Ich möchte hier einen Text veröffentlichen, den ich gemeinsam mit anderen Brüdern und Schwestern der evangelischen Studierendengemeinden Sachsens anlässlich der anstehenden Wahlen formuliert habe:

Stellungnahme der Sächsischen Evangelischen Studierenden- gemeinden zu den Wahlen 2019:


In diesem Jahr finden Kommunal-, Landtags- und Europawahlen in Sachsen statt. Für die Evangelischen Studierendengemeinden (ESG) in Sachsen bedeutet das eine verstärkte Auseinandersetzung mit politischen Themen, die wir kontrovers diskutieren.

Dabei beobachten wir in der Gesellschaft einen immer rauer werdenden Ton. Respekt gegenüber unseren Mitmenschen, egal ob dem Wohnungslosen, der Professorin, dem Nachbarn, der Flüchtlingsfamilie, der Kollegin etc. ist wichtig für eine funktionierende Gesellschaft. Eine Entsprechung dazu sehen wir in der christlichen Nächstenliebe, die für unser Reden und Handeln maßgeblich ist. Daraus folgt für uns, dass das Schüren von Hass, Anwendung und Androhung von Gewalt und Ignoranz gegenüber Hilfsbedürftigkeit nicht akzeptabel sind.

Wir versuchen, unser Leben durch diese Nächstenliebe bestimmen zu lassen. Das ist für uns Gottesdienst im Alltag. Aber auch wir bekennen, dass wir selbst oft daran scheitern.

Umso mehr ist die Nächstenliebe bei den kommenden Wahlen für uns ein entscheidendes Kriterium. Sie bedeutet für unser politisches Handeln Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung.

Wir setzen uns ein für einen gewaltfreien, respektvollen Diskurs.

Wir stehen auf gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Wir setzen uns ein für freie Bildung, Lehre und Forschung, denn nur so ist ein faktenbasierter Austausch möglich.

Wir stehen auf gegen eine Leugnung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse wie die des menschengemachten Klimawandels, unter dessen Folgen Menschen in anderen Teilen der Welt bereits heute leiden.

Wir stehen auf gegen eine Leugnung oder Umdeutung historischer Geschehnisse wie der Shoah und anderer Verbrechen der NS-Herrschaft.

Wir wehren uns gegen eine Instrumentalisierung von Religion als Mittel der Ausgrenzung.

Darum setzen wir uns ein für die freiheitliche Demokratie, die Raum zur aktiven Mitgestaltung bietet. Deshalb gehen wir wählen und rufen auf, wählen zu gehen.

Diese Stellungnahme wurde vom Konvent der sächsischen ESGn am 13.04.2019 beschlossen.

Konvent der Sachsen-ESG

sachsen-esg[bei]esg-dresden.de

Den Text gibt es auch hier herunter zu laden.

„Suche den Frieden“

„Suche den Frieden und jage ihm nach“ (Ps 34,15) Über diesen Bibeltext, der die Jahreslosung für 2019 ist, haben wir am letzten Wochenende mit Studenten aus ganz Sachsen nachgedacht, diskutiert und Gemeinschaft im Zeichen dieses Friedens gelebt.

Was bedeutet „Frieden“? Ist es die bloße Abwesenheit von Krieg? Oft genug hört man „Um des lieben Friedens willen“ solle man Ruh‘ geben. Ist das der Frieden, von dem in der Bibel die Rede ist?

Wenn man die Verse vor und hinter dieser Jahreslosung betrachtet, wird ein anderes Bild von Frieden gezeichnet: „Behüte deine Zunge vor Bösem und deine Lippen, dass sie nicht Trug reden. Lass ab vom Bösen und tue Gutes; suche den Frieden und jage ihm nach!“ Die folgenden Verse handeln dann vom Leid, dass der Gerechte erfahren wird.

Das klingt nicht nach einer Ruhe „um des lieben Friedens willen“. Das klingt danach, das der Frieden nicht der leichte Weg ist und schon gar nicht konfliktfrei. Schon alleine die Aufgabe, keinen Trug zu reden, wird Einen auf der Suche nach Frieden anecken lassen. Frieden ist hier also mehr mit der Wahrheit, als mit einfacher Ruhe, verknüpft. Lasst mich aus diesen Beobachtungen einen Versuch machen, den Begriff „Frieden“ wie er hier genutzt wird zu definieren:

„Frieden“ ist ein Beziehungsrahmen, der den Widerstreit widersprüchlicher (subjektiver) Wahrheiten erträgt in einem Respekt vor dem Gegenüber als Geschöpf Gottes. In den Widersprüchen in der Wahrnehmung lässt er uns nach der gemeinsamen Wahrheit dahinter suchen.

Jetzt werdet ihr vielleicht sagen: „In der Position von XY ist kein Funken Wahrheit“. Dennoch möchte ich versuchen, mit diesem XY zu reden. Was ist das Gemeinsame (richtige) was sich dahinter verbirgt? Keine noch so abstruse Position wird ohne einen realen Grund zustande kommen. Um diesen zu finden, müssen wir zunächst mal den Gegenüber unabhängig von seiner Meinung als Gegenüber und Menschen akzeptieren.

So stehen lassen muss man deswegen „Fake news“ und unmenschliche Meinungen nicht: Ein Widerspruch um der Wahrheit Willen ist nötig und angebracht.

Das mag für uns die größte Herausforderung sein: In den aktuellen Zeiten mit dem Mitmenschen, dessen Meinung von Hass und Unmut geformt wurde, eine Beziehung aufbauen, in der ein Streit möglich ist, der aber im Rahmen dieses Friedens bleibt.

Ich möchte mich daher für die Unterstützung der Bewegung „Aufruf 2019“ stark machen. Ein Bündnis aus der oft zitierten Mitte der Gesellschaft versucht in Leipzig, Menschen zum Mitgestalten eines gerechten und gastfreundlichen Sachsens in einem friedlichen Europa aufzurufen. Sich über Inhalte zu streiten, um Deutschland voranzubringen und Probleme zu lösen, statt Sündenböcke zu suchen.

Link zu Aufruf 2019 hier: https://aufruf2019.de/aufruf/