Letztes Sonnenlicht

Bevor die Polarnacht anbricht, mussten wir natürlich noch ein paar Sonnenstrahlen genießen. über tausend meter ist der Nordskjöllfjellet-Rücken hoch. Das sollte das Ziel unserer letzten Wanderung bei Sonne sein:

Morgensonne um viertel nach zehn

bei bestem Sonnenschein brachen wir auf.

Der Rücken, den wir hinaufgingen, war scharf wie eine Klinge. Mit je einem Fuß stand man auf dem nach Osten und dem nach Westen abfallenden Hang.

 

Sturm am Bergrücken

Da der Wind immer mehr zunahm, mussten wir uns leider entscheiden, die Tour zum Gipfel abzubrechen. Insbesondere meine Bergerfahrung und Ausrüstung reichte in dem aufgewirbelten Schnee irgendwann nicht mehr, um sicher auf dem rutschigen Rücken vorwärts zu kommen.

 

und um zwölf siehts immer noch aus wie Sonnenaufgang

Dennoch haben wir die Sonne und die gute Luft auf dem Plateau sehr genossen.

Spuren der Kohleminen
Mein Wohnsitz – im Tale zweier einst mächtiger Gletscher.

 

Wetter und Space-Wetter

Den Freitag haben wir – größtenteils – bei einer Radarstation oberhalb des Tales verbracht. Eindrücke von da gibts heute:

Sehr schön fand ich die Veränderung der verschiedenen Wolkenschichten über den Tagesgang. Leider waren wir zu spät am Radar, um noch eine Timelapse zu erstellen.

Die tiefhängende Wolkenschicht, fast eher Nebel entsteht, wie ihr sehen könnt, nur über dem Wasser. Sie ist eine Folge der Temperaturdifferenz zwischen Wasser und Luft: Das warme Wasser kann mehr Feuchtigkeit an die Luft abgeben, als diese aufnehmen kann. Daher kondensiert dieses zu viel an Luftfeuchtigkeit als Wolke. Übrigens trotz Temperaturen knapp unter null als Flüssigwasserwolke.

Die höheren Wolken dagegen sind Eiswolken.

Auch wenn ich „höher“ schreibe, sind diese noch zu den niedrigen Wolken zu zählen, da sie sich in Höhen von etwa 1-1,5km befinden. An diesem Bild kann man die Entstehung der Wolken durch sog. Schwerewellen sehr schön nachvollziehen: Die Luft wird beim Anströmen des Berges zum Aufstieg gezwungen und kühlt sich dabei um 1 Kelvin (=1°C) pro 100m ab. Da die absolute Menge Wasser im Luftpaket dabei gleich bleibt, erhöht sich die temperaturabhängige relative Feuchte. Wird dabei die Sättigung überschritten, entsteht durch Kondensation – bzw. Sublimation – eine Wolke. hinter dem Berg sinkt das gleiche Luftpaket aus Stabilitätsgründen wieder ab und erwärmt sich dabei. Nun reicht die Feuchte natürlich nicht mehr, um zu Sättigung zu führen und damit Wolken zu bilden. Manchmal folgen jedoch hinter dem Berg noch mehrere solche Wellen, wie hier auch ganz schwach erkennbar, da das Luftpaket nicht direkt in die stabile Schichtung zurückfindet, sondern ein wenig um diese stabile Position auf und ab schwingt. Daher auch der Name „Schwerewellen“.

Zum Glück zog der Nebel wieder ab, bevor es Nacht wurde, so dass ich euch nach dem normalen Wetter nun noch ein bisschen Sonnenwind zeigen kann: Durch einen Sonnenfleck gab es am Freitag gewaltige Sonnenstürme, die entsprechend intensive und lang anhaltende Polarlichter zur Folge haben:

 

Ny Alesund

Letzte Woche waren wir von der Uni aus zu Gast in der Forscher-Siedlung Ny Alesund, noch mal 100km nördlich von Longyearbyen. Für Touristen nur auf dem Seewege zu erreichen, nehmen wir das gleiche Verkehrsmittel, wie alle, die dort arbeiten oder forschen:

Kommt ihr mit?

Der Pilot ist zugleich Eigentümer der Brauerei von Longyearbyen. Seine Sicherheitskontrolle beschränkte sich darauf, dass er sich vor der Hangar-Tür aufbaute, die Hände in die Seiten stemmte und fragte, ob wir Munition oder brennbare Stoffe im Gepäck hätten. Wäre nicht schlimm, er wüsste es nur gern im Voraus.

Dann wurden die Handys für die nächsten Tage abgeschaltet, und wir machten uns auf den Weg. Um die Forschungsarbeiten nicht zu stören, ist Ny Alesund eine „radiofreie Zone“: Im Frequenzbereich zwischen 1 und 30 Ghz wird in der ganzen Siedlung und Umgebung kein Signal gesendet.  Das heißt: Kein Handynetz, kein WLAN, kein Bluetooth, selbst ne drahtlose Maus ist verboten. Kommunikationsmittel sind klassische Kabeltelephone und UKW-Handfunkgeräte, die ja im Mhz-Bereich senden.

Anflug auf Ny Alesund rechts die Kantine und die Norwegische Forschungsstation, rechts neben dem Radiomast die Amundsenvilla und in der Mitte das blaue Gebäude der deutsch/französischen Station AWIPEV.
historische Holzhäuser

Die Geschichte Ny Alesunds beginnt vor hundert Jahren als Kohlemine. Nach einer ersten Kohle-Periode, war hier vor dem zweiten Weltkrieg ein Urlaubsort für die, die es sich leisten konnten. Anders als in Longyearbyen, wo fast die ganze Stadt zerstört wurde, hat bis auf zwei Gebäude, die von deutschen Soldaten abgebrannt wurden, Ny Alesund diie Kriegszeit unbeschadet überlebt. Bis in die 60er Jahre wurde hier nun wieder Kohle abgebaut.

 

Schon sehr früh war Ny Alesund aber auch Forschungsstützpunkt: Amundsen und andere nutzten den Ort als Ausgangspunkt für Expeditionen. Der alte Zeppelinmast erzählt noch davon.

Das ehemalige Krankenhaus

So gut wie alle Gebäude in Ny Alesund fallen unter das Denkmalschutzrecht, das auf Svalbard allgemein alles unter Schutz stellt, was vor 1946 gebaut wurde.

Die ganze Stadt gehört der Firma Kingsbay, die ursprünglich eine Minengesellschaft war, seit den 1960ern aber die Logistik und Technik für die Forschung am Ort zur Verfügung stellt. Die alten Gebäude werden als Büro- und Wohngebäude an die Forschungseinrichtungen vermietet und teilweise auch zu Observatorien umgebaut.

Auch der Flughafen und die Kantine, in der alle Bewohner der Siedlung gemeinsam essen (und Mittagsschlaf halten), wird von Kingsbay betrieben.

Messtechnik in Extrembedingungen

Viele Länder haben inzwischen hier Forschungsstationen eingerichtet: Eine Norwegische Station und eine deutsch / französische Station sind permanent besetzt, in diesem Winter soll auch die Italienische Station über den Winter besetzt bleiben.  Finnische, Chinesische, Indische und weitere Stationen und Forschergruppen sind über das Jahr hier zu finden.

Chinesische Forschungsstation

Aber, warum findet man die alle hier oben? Was interessieren sich deutsche oder chinesische Wissenschaftler für die Arktis?

Klar, spannende Themen wie Polarlichter und Eisbären interessieren Forscher der Fachgebiete unabhängig von ihrer Herkunft. Was aber viel wichtiger ist: Das Klimasystem der Erde beispielsweise kann nicht von einem Punkt zuhause aus betrachtet werden. Jede Information, die wir aus den POlargebieten bekommen, macht auch die Klimaprognosen für unsere Regionen besser.

Nordlicht über der Amundsen-Villa

Im Groben und Allgemeinen: Unser lokales europäisches Wetter ist primär von Tiefdruckgebieten, die auf dem Atlantik entstehen, bestimmt. Darüber liegt der „Jetstream“, der in großer Höhe als starkes Westwindband die polaren Luftmassen und die warme Luft der gemäßigten Breiten trennt. Diese Strömung ist die Grundlage unseres Wetters, da sie die Tiefdruckgebiete bewegt.  Dieser Westwind resultiert aus der Temperaturdifferenz zwischen kalter Arktis und warmen Subtropen. Wenn nun das Meereis schmilzt, wird die Arktis damit wärmer. Auch bei einer globalen Erwärmung von nur 1.5 Gard können das schon 4-5 Grad in der Arktis sein.

Welche Folgen die daraus resultierenden Abschwächungen des Jetstreams haben werden, ist schwer abzusehen, da die Variabität unseres Wetters sehr groß ist, und sich damit schwer ein Trend ableiten lässt. Eine mögliche Folge schwächerer Westströmung wäre kontinentaleres Klima in Osteuropa, was mit kälteren Temperaturen einherginge. Aber auch stabileres Winterwetter, da weniger Tiefdruckgebiete entstehen würden, und diese sich langsamer bewegen.

Der Zeppelinmast, Ausgangspunkt verschiedener Polarexpeditionen.
„KARL“ Das Lidar in der deutschen Forschungsstation…

Das genauere Verständnis der Mechanismen in der Arktis macht also auch ein präziseres Modellieren des Klimas in Deutschland möglich, und ermöglicht so einen präziseren Blick in die Zukunft. Daher gibt es auch in Deutschland verschiedenste Projekte, die die Infrastruktur hier nutzen, um Forschung zu betreiben. Beispielsweise AC³, ein Bündnis mehrerer Unis und Forschungseinrichtungen, dass sich mit dem Phänomen der „Arctic Amplification“ also der arktischen Verstärkung klimatischer Änderungen befasst. Teil davon war eine aufwendige Kampange mit Bodengebundenen Geräten, wie diesem LIDAR, Flugzeugen und der Polarstern, in der die Eigenschaften polarer Wolken genauer erforscht werden sollten, insbesondere die Zusammensetzung und die enthaltenen Aerosole.

 

…schießt einen gewaltigen Laserstrahl in den Nachthimmel.

 

Ein gewaltiges Projekt hat das deutsche AWI für das nächste Jahr angestoßen: „Mosaic“ Der Forschungseisbrecher Polarstern soll ein Jahr lang mit dem Meereis quer durch die Arktis driften. Interdiszplinell und international besetzt werden auf dieser Reise Daten und Messungen in gewaltigem Umfang erhoben.

Wenn ihr Ny Alesund besuchen wollt, empfehle ich eine Schiffsreise: Flugverbindungen gibt es nur für Forscher, Angestellte und deren Angehörige. Übernachtungsmöglichkeiten gibt es auch keine. Aber einen kleinen Hafen und einen Laden, der zwei Stunden in der Woche Alkohol und Schokolade und das nötigste für den Einwohner sowie Souvenirs für Touristen verkauft.

Einziger Zugang für Touristen: Der Seeweg.

Aurora borealis

Erste Polarlichter habe ich aufgenommen, die ich euch natürlich nicht länger vorenthalten will. Es ist hier fast schon zu weit nördlich für Polarlichter, die gleiche Situation war – laut den Kommilitonen – bei deren Freunden in Tromsø wohl wesentlich eindrucksvoller.

Wie kommen Polarlichter zustande? Und warum gibts die nur in den hohen Breitengraden – übrigens genau so auch im Süden als Aurora australis – zu sehen?

Der Urheber der Polarlichter ist die Sonne. Bei Sonnenstürmen werden gewaltige Mengen an Plasma-Teilchen – Protonen und Elektronen – mit Geschwindigkeiten von mehreren hundert Metern pro Sekunde ins Weltall geschleudert. Wenn diese Stürme sich der Erde nähern, schützt uns unser Magnetfeld. Die gebogenen Feldlinien lenken die Partikel in den polaren Bereich ab, wo sie dann tiefer in die Atmosphäre eindringen, und in Höhen von etwa 100km dann auf Sauerstoff- und Stickstoff-Atome treffen. Bei der Kollision werden die Moleküle der Atmosphäre dann angeregt und emittieren Licht.

 

Das „Aurora-Oval“, in dem die Polarlichter entstehen, befindet sich ungefähr zwischen dem Polarkreis und dem 75. Breitengrad. Bei besonders intensiven Sonnenstürmen wandert die Aurora auch noch weiter nach Süden. Das man auf den etwas nördlicheren Inseln Svalbards Aurora-Forschung betreibt hat aber einen sinnvollen Grund:Besonders zwei Stellen des „Aurora Ovals“  sind interessant: Die „Mittagsseite“ wo die Sonnenstürme initial auftreffen, und die Mitternachtsseite, an der die sog. „Substorms“ aus der Rückkehr des Magnetfeldes in den Ausgangszustand auftreten. An beiden Punkten werden Polarlichter auftreten. Dummerweise sind die bei Tageslicht nicht so gut zu sehen – was insbesonders für die Mittagsseite oder „Dayside-Aurora“ gilt. Svalbard ist daher reizvoll, da die Polarnacht hier einige Monate dauert, in denen die „Dayside Aurora“ folglich beobachtet und erforscht werden kann.

Rote Aurora – mit bloßem Auge häufig – und so auch hier – gar nicht sichtbar.

Die Farben der Aurora hängen übrigens damit zusammen, auf welche Moleküle und in welcher Höhe die geladenen Partikel der Sonnenstürme auftreffen.

Zuletzt noch eine kleine Anmerkung: Die Aufnahmen entstanden mit Empfindlichkeiten zwischen 1600 und 6400 bei Zeiten von bis zu 30sec Blende lag zwischen 2 und 4. Die Berge sind nur durch die – nicht wirklich große – Lichtverschmutzung in Longyearbyen erhellt.

Vom Morgenrot zum Abendlicht

Isdammen – das Süßwasserreservior der Siedlung

Die Tage werden merkich kürzer, nicht nur auf Svalbard. Hier jedoch besonders eindrucksvoll, da die Sonnenbahn sehr flach über dem Horizont liegt. Die goldene Stunde füllt also fast den ganzen Tag, die blaue Stunde einen großen Teil der Nacht. Jekophotos  hat ein schönes Tool, um die Zeiten für euren Wohnort selbst auszurechnen: etwa drei Stunden dauert im Moment die goldene Stunde. Wesentlich höher kommt die Sonne aber am ganzen Tag nicht, sodass die Lichtstimmung den ganzen Tag über spannend bleibt.

 

Natürlich nutzen wir das schwindende Licht noch für ausgiebige Wanderungen. Da das Adventdalen bereits zufriert, bot sich uns die Chance, das Flussdelta zu überqueren und Longyearbyen mal von „Gegenüber“ aus zu betrachten.

Alte und neue Technik: Kohle und Atmosphärenphysik

Neben den Spuren des Kohlebergbaus, die man überall auf Spitsbergen findet. sind auch viele Forschungseinrichtungen zu finden: Spitzbergen ist der wärmste Ort auf diesem arktischen Breitengrad, und der mit der besten Infrastruktur. Somit sowohl als Forschungsstützpunktals auch als Zwischenstation auf dem Weg in Richtung Nordpol sehr reizvoll.

Sehr viel Forschung wird hier u.a. im Bereich der Hochatmosphäre und des Erdmagnetfeldes sowie der damit verbundenen Aktivität der Polarlichter betrieben. Doch zu der Aurora borealis werde ich dann mehr erzählen, wenn ich erste eigene Aufnahmen zeigen kann.

Auf die offene See führt der Isfjord

Beschützt von hohen Bergen: Longyearbyen

Zu Fuß nach Russland – Barentsburg erreicht.

Einen – trotz Knieverletzung und teils nasser Füße sehr entspannten – halben Tagesmarsch betrug die Strecke von der warmen gemütlichen Hütte am Kap Laila bis in die russische Siedlung Barentsburg. Eine Kohlemine, ein kleines Kohlekraftwerk, und zwei Hotels betreiben die knapp 500 Einwohner. Svalbard ist insgesamt norwegisch, doch die Siedlung und die Firmen in Barentsburg und Pyramiden sind russisch. Auch ein kleines russisches Konsulat gibt es in Barentsburg.

Das Innere der russisch orthodoxen Kapelle

 

Ein Flugzeug?

Nein, ein Highspeed-Boot / Schlitten

In Barentsburg gibt es einen ganz besonderen Einwohner: Die einzige Katze Svalbards. Die Einfuhr von Katzen auf die Inselgruppe ist zum Schutz der hier brütenden Zugvogelarten eigentlich verboten. Dieser Mäuseschreck ist offiziell als zahmer Polarfuchs eingeführt worden.

Ein Fuchs?